Hilfe, hier ist es zu laut!

Hörsamkeit vs. Ungestörtheit.

Eine gute Akustik ist entscheidend für das Wohlbefinden und die Konzentrationsfähigkeit der Raumnutzer. Die Ansprüche können dabei sehr unterschiedlich sein. Hier definieren wir die Grundlagen guter Raumakustik in Abhängigkeit von der verschiedenartigen Nutzung von Räumen.

Typischerweise beginnen unsere Projekte durch einen Dialog mit unserem Kunden. Ein Klassiker bei Bestandsgebäuden ist der Wunsch nach einer Planungs- oder Beratungsleistung, weil die Nutzer mit der raumakustischen Situation ihrer Räume nicht zufrieden sind. Wenn wir nach dem Grund der Bemängelung fragen, hören wir oftmals Aussagen wie: „In unseren Räumen ist es viel zu laut“.

Aber ist es tatsächlich pauschal die Lautstärke, bzw. der Pegel im Raum, der uns stört? Die Erfahrung zeigt, dass es sehr wichtig ist, sich für den ersten Dialog ausreichend Zeit zu nehmen, um dem tatsächlichen Störpotenzial auf die Schliche zu kommen.

Messung der Nachhallzeit in einem Klassenzimmer nach DIN EN 3382-2 (Standardverfahren), durchgeführt von Lennox Lehner mit dem Raumakustik-Planer (RAP).

Räume und deren Nutzung

Wie wird gute Raumakustik eigentlich definiert? Eines vorweg: Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden. Denn neben der Raumgröße, dessen Geometrie, der Ausstattung und Einrichtung ist vor allem die Nutzung relevant. Im Objektbereich unterscheidet man hinsichtlich dieser vor allem folgende Zielsetzungen. Räume mit Wunsch nach:

  • guter Hörsamkeit: z. B. Räume zum Musizieren, Hörsäle, Gruppen- und Klassenzimmer, Besprechungsräume
  • Raumbedämpfung und Lärmreduktion: z. B. Verkehrsflächen in Schulen, Kindergärten und Pflegeeinrichtungen, Foyers, Kantinen, Ausstellungen, Verkaufsflächen, Räume mit Raumkomfort und Aufenthaltsqualität
  • Wenig akustische Störung bzw. Reduktion von akustischem Ablenkungspotenzial: z. B. Büroarbeitsplätze, vor allem bei großen Mehrpersonenbüros, Open-Space- und New-Work-Arbeitsflächen

Nachfolgend beschreiben wir diese Zielsetzungen und stellen sie gegenüber.

Gute Hörsamkeit

Gute Hörsamkeit bedeutet, dass ein akustisches Ereignis im Raum gut wahrgenommen wird. Das kann zum Beispiel der Hörgenuss einer musikalischen Veranstaltung sein oder auch eine hohe Verständlichkeit von Sprache bei einer Rede, einer Besprechung oder in Unterrichtssituationen.

Bei einer musikalischen Darbietung (vor allem, wenn keine Beschallungsanlage vorgesehen ist) ist es oftmals gewünscht, dass nicht nur das Instrument, sondern auch der Raum „richtig klingt“. Dafür ist ein abgestimmter Hall gewünscht. Ein solcher Raum sollte raumakustisch nicht zu sehr bedämpft werden.

Anders verhält es sich bei Sprachdarbietungen. Um eine hohe Sprachverständlichkeit zu erreichen, ist es zielführend den Raum zu bedämpfen und somit Nachhallzeiten zu verkürzen. Wirksame Stellschrauben sind geringe Grundgeräuschpegel sowie auf die Frequenz abgestimmte raumbedämpfende Maßnahmen und die dazu passende Positionierung dieser.

Raumbedämpfung und Lärmreduktion

In Räumen, in denen sich mehrere Menschen aufhalten und miteinander sprechen, entsteht neben der „bunten“ Geräuschkulisse oftmals ein hoher Pegel, bzw. ein lärmendes Umfeld. Jeder von uns kennt diese Situation, beispielsweise aus Kantinen, gut besuchten Foyers oder aus der Gastronomie. „Cleane Räume“ mit harten Oberflächen sind davon besonders betroffen. Begründet wird das dadurch, dass Schall nicht nur auf direktem Weg, sondern durch eine Vielzahl an Reflexionen beim Hörer ankommt.

Direktschall und Reflexionen überlagern sich zeitversetzt. Das erhöht die Halligkeit, sowie den Pegel im Raum. Wenn es sich um Sprache handelt, führt der sogenannte Lombard-Effekt dazu, dass der Pegel im Raum zusätzlich ansteigt. Wie es dazu kommt, erklärt sich am besten durch ein Beispiel:

Stellen Sie sich vor, Sie gehen zu zweit in ein Restaurant. Beim Eintreffen sind Sie die ersten Gäste. Wenn Sie sich mit Ihrem Gegenüber unterhalten, gibt es wenig „Störpotenzial“ und Sie werden voraussichtlich in einer „normalen“ Lautstärke miteinander sprechen. Mit fortschreitender Stunde erhöht sich die Zahl der Personen im Raum und somit auch die Anzahl der gleichzeitigen Sprecher. Der Schalldruckpegel im Raum steigt an. Das führt dazu, dass Ihr Gegenüber Sie schlechter versteht. Um das zu kompensieren, erhöhen Sie Ihre Lautstärke und zugleich Ihre Tonlage, was dazu führt, dass Sie den Schalldruckpegel im Raum noch weiter erhöhen. Mitunter ein Teufelskreis.

Raumbedämpfende Maßnahmen „entschärfen“ Reflexionen, reduzieren die Halligkeit und dadurch den Pegel im Raum. Eine geeignete raumakustische Planung betrachtet daher primär auf die Frequenz abgestimmte, raumbedämpfende Maßnahmen in ausreichender Menge und am passenden Ort. Oft ist ein gewisses Hintergrundgeräusch oder eine musikalische Beschallung zielführend, da sie das Behaglichkeitsgefühl der Nutzer erhöhen und beispielsweise in einem Restaurant ein gewisses Maß an Vertraulichkeit gewähren kann.

Reduktion von akustischer Störung

Menschen, die in Büros ihren Aufgaben nachgehen, erhoffen sich ein akustisches Umfeld, welches sie bei ihrer Arbeit unterstützt. In kleinen Büros und vor allem in Teambüros kann es gewünscht sein, dass Personen direkt miteinander kommunizieren. Anders verhält es sich in großen Mehrpersonenbüros und vor allem in offenen Bürolandschaften – sogenannten Open Office oder New Work Spaces. Hier teilen sich meist unterschiedliche Abteilungen und Bereiche eine gemeinsame, offene Fläche. Diese Räume bedürfen einer detaillierten Betrachtung. Einen besonderen Stellenwert nimmt hier die Sprache ein. Neben dem erzeugten Schalldruckpegel übermittelt jedes Sprachsignal Informationen.

Diese können in der Regel nicht ausgeblendet werden. Gelangt Schall ungewollt in Form von gut verständlicher Sprache an Personen, so entsteht dadurch ein gewisses Ablenkungspotenzial. Dies kann dazu führen, dass wir „den Faden verlieren“, in unserer Arbeit gestört werden, zu Fehlern neigen und weniger produktiv sind.

Ganzheitlicher Planungsansatz

Bei offenen und großen Mehrpersonenbüros haben neben den raumakustischen Parametern die Positionen von Personen sowie die „Spielregeln“ untereinander einen sehr großen Einfluss auf die Nutzerakzeptanz. Erfahrungsgemäß ist es nicht zielführend diese Räume „zentral“ zu planen. Erfolgversprechend ist vor allem eine ganzheitliche Arbeitsplatzplanung. Im besten Fall in einer interdisziplinären Arbeitsgruppe zusammen mit Planern, Entscheidern und den späteren Nutzern. Dadurch wird ersichtlich, dass zum Beispiel kommunikationsintensive Arbeitsplätze von Bereichen für komplexe Denkaufgaben örtlich möglichst weit voneinander entfernt eingerichtet werden sollten. Stehen zudem temporäre Rückzugsbereiche zur Verfügung, können sich Personen aus den Flächen zurückziehen, um einen Video Call / ein Telefonat zu führen oder auch dann, wenn sie bei einer Tätigkeit nicht gestört werden möchten.

Visualisierung der Schalldruckpegel ohne (links) und mit (rechts) schirmenden Maßnahmen: Dieser „Grid“ wurde durch Fuchs-Raumingenieure mithilfe des Simulationsprogrammes „Odeon“ erstellt.

Raumakustische Maßnahmen

Eine zielführende raumakustische Planung von großen Mehrpersonenbüros betrachtet neben der Kenngröße der Nachhallzeit weitere Parameter. Vor allem die Schallausbreitung über nahe und entfernte Bereiche ist entscheidend und individuell auszuwerten. Auch der Hintergrundpegel (vor allem die Geräuschkulisse, welche nicht durch Sprache erzeugt wird) hat einen großen Einfluss. Dieses Zusammenspiel soll nachfolgend grob dargestellt werden.

In Büroräumen sollte die Nachhallzeit grundsätzlich nicht zu lang ausfallen. Jedoch führt der reine Fokus auf diese dazu, dass die Sprachverständlichkeit im Büro erhöht wird und somit das Ablenkungspotenzial im Raum unter Umständen sogar ansteigt. Schirmende und zonierende Maßnahmen wie beispielsweise passend dimensionierte und richtig platzierte Stellelemente, Schallschirme und Stichwände reduzieren die freie Schallausbreitung und somit den ankommenden Pegel der Sprache. Ob diese Maßnahmen dazu führen, dass das Ablenkungspotenzial sinkt oder ob gar ein gewisses Maß an Vertraulichkeit gewährt wird, ist zudem vom Hintergrundgeräusch abhängig.

Hintergrundgeräusche – ein sensibles Thema

Unsere Erfahrung zeigt, dass es vor allem in neu gebauten oder umfassend sanierten Räumen oftmals „mucksmäuschenstill“ ist. Gründe dafür sind vor allem leise oder geräuschlose Komponenten aus der Gebäudetechnik sowie geräuschreduzierte, bzw. passiv gekühlte PCs und Notebooks. Fokusräume, kleine Büros und Besprechungszimmer profitieren meist von einer solchen leisen Umgebung. Anders verhält es sich in den offenen Bereichen. Erst wenn sich das Grundgeräusch mit dem ankommenden Sprachpegel ausreichend überlagert, reduziert sich die Sprachverständlichkeit und somit das Ablenkungspotenzial. Hier gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen den zuvor genannten pegelreduzierenden Maßnahmen und dem Hintergrundpegel im Raum.

Der „optimale“ Hintergrundpegel ist eine sensible Angelegenheit. Er sollte weder zu hoch ausfallen, noch weitere störende Elemente mit sich bringen. Tonale Geräusche, tieffrequentes „Wummern“, Impulse oder Informationsgehalt, sind wenn möglich zu vermeiden, da sie das Störpotenzial erhöhen. Unterstützen kann beispielsweise ein dezentes Rauschen einer Lüftungsanlage oder im Einzelfall das bewusste Maskieren durch eine aktive Beschallung.

Moderne Werkzeuge zur raumakustischen Planung von offenen Büroflächen

Die relevanten Kenngrößen und Parameter der Großraumakustik lassen sich gut durch eine Messung erfassen. Die Planung und Gegenüberstellung von Maßnahmen erfolgten üblicherweise durch eine raumakustische Simulation. Diese modernen Werkzeuge bieten neben der Prognose von technischen Werten und dem Abgleichen mit gängigen Regelwerken große Vorteile. Visualisierungen zur Schallausbreitung und Grafiken zur Sprachverständlichkeit zeigen Einflüsse und Zusammenhänge.

Binaurale Auralisationen verschaffen zudem einen realitätsnahen Höreindruck. Somit sind auch Personen ohne raumakustische Erfahrung in der Lage, bereits während der Planungsphase in einen Raum „hineinzuhören“. Unserer Meinung nach ist dies der beste Weg, um raumakustische Maßnahmen und Szenarien subjektiv zu bewerten.

Dieser Artikel ist erstmals erschienen in der Märzausgabe des Magazins „BM Innenausbau / Möbel / Bauelemente“ https://www.bm-online.de/

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